aus unserer Toolbox

im Konsent entscheiden

Wie können wir in komplexen Situationen und Themen effizient und dennoch weise entscheiden?

Die Corona-Krise hat uns vor Augen geführt, was Entscheiden in Ungewissheit bedeutet. Wir mussten beispielsweise entscheiden, ob wir eine Reise, die wir in Finnland anbieten wollten, durchführen sollen oder nicht.

Betroffen von der Entscheidung waren die Reisegruppe, die Reiseleitenden und unser Unternehmen. Wie also kommen wir zu einer weisen Entscheidung im komplexen Situationen? 

Was ist eine weise Entscheidung?

Wir messen gute Entscheidungen daran,

  • wie gut sie das Wissen und die Erfahrungen, die uns innert nützlicher Frist zugänglich sind, berücksichtigen,
  • ob sie uns zum Ziel führen, also Sinn machen,
  • wie sie von den Betroffenen mitgetragen werden,
  • ob sie effizient getroffen wurden.

Was ist eine komplexe Situation?

Handeln, wenn es keine guten Gründe gibt, es nicht zu tun…

Wir fällen jeden Tag rund 100’000 Entscheidungen. Die allermeisten davon unbewusst, intuitiv und schnell. 

Wenn aber eine komplexe Situation vorliegt und mehrere Menschen vom Entscheid betroffen sind, lohnt es sich, ein Entscheidungsverfahren anzuwenden. Es macht den Entscheidungsprozess transparent und ermöglicht die Mitwirkung der vom Entscheid betroffenen Personen. Bereits das trägt wesentlich dazu bei, dass das Ergebnis von allen Betroffenen mitgetragen wird. Nix mühsameres als eine Entscheidung, die in der Umsetzung torpediert wird!

Unser Favorit ist «Entscheiden im Konsent». Der Prozess stammt aus der Soziokratie 3.0.

Er bedeutet nichts anderes als: Wir prüfen einen Vorschlag auf Einwände. Und wir handeln, wenn es keine guten Gründe gibt, es nicht zu tun. Das bedeutet auch, dass wir nur nach einer Lösung suchen, die gut und sicher genug ist, um sie zumindest eine Zeit lang auszuprobieren. Wir suchen also nicht nach einer perfekten Lösung. 

Konsent ist daher in zweierlei Hinsicht ungewohnt: Erstens sind wir sind geprägt vom Konsens, also vom Einverständnis aller. Der Konsent jedoch ist eine Abkehr von der Frage: Sind alle einverstanden? Stattdessen fragen wir: Hat jemand einen Einwand gegen den Vorschlag, die Reise nach Finnland abzusagen? Zweitens sind wir gewohnt, nach Perfektion zu streben. «Gut und sicher genug» ist ein Grundsatz, an den sich viele – und insbesondere Schweizer*innen – zunächst gewöhnen müssen ;-). Wobei wir nichts gegen Perfektion haben, nur macht sie in komplexen Situationen keinen Sinn. Erst wenn wir wissen, auf der richtigen Spur zu sein, lohnt es sich zu optimieren oder gar zu perfektionieren.

Und was ist ein Einwand?

Ein Einwand ist ein Grund, warum ein Vorschlag einer effektiv(er)en Antwort auf einen Treiber im Weg steht. Sie dienen also dazu, einen Vorschlag weiter zu entwickeln. Deshalb sind Einwände ein Geschenk! 

Einwände sollten wichtig, dringend und begründet sein.

Sie deuten darauf hin, dass entweder

  • (zumindest sehr wahrscheinlich) Schaden entstehen wird. Der Vorschlag also nicht genügend sicher ist, um ihn auszuprobieren; oder
  • man den Vorschlag signifikant und unmittelbar verbessern kann.

Bereit für Konsent?

So, jetzt ist der Boden gelegt für Entscheiden im Konsent.

An einem Konsent-Entscheid wirken idealerweise alle Personen mit, die vom Entscheid betroffen sind. Der Prozess eignet sich bis zu einer Gruppengrösse von rund 14 Personen. Sind mehr Personen betroffen, können Delegierte gewählt werden, die den Konsent-Entscheid treffen.

Wir wählen für das Setting einen Kreis mit Blick auf ein Flipchart oder eine Tafel, wo Treiber und Vorschlag gut sichtbar sind. 

Falls wir uns online treffen, ist es hilfreich, wenn die Moderation alle Personen sieht. Andernfalls mit elektronischen Handzeichen arbeiten. Zudem ist ein Board für die Visualisierung des Vorschlages nützlich.

Ist der Treiber klar genug? Ist er relevant für uns?

Die Entwickler*innen des Vorschlags präsentieren diesen, sodass alle im Bild sind, worüber entschieden werden soll.

Nur Fragen klären, die nötig sind, um den Vorschlag inhaltlich zu verstehen und bewerten zu können, ob man Einwände hat oder nicht.

Die Teilnehmenden teilen ihr intuitive Reaktion auf den Vorschlag. Ein Satz, ein Wort, eine Geste.

Ist der Vorschlag gut und sicher genug, um ihn auszuprobieren? Bzw. wer hat einen Einwand?

Die Einwände – soweit möglich – in den Vorschlag integrieren und diesen somit weiter entwickeln. 

Einen Einwand um den anderen.

Falls es Bedenken gab: Diese anhören und allenfalls als Evaluationskriterien festhalten.

Schritt 8 ist nicht zwingend und steht daher in Klammern. Wenn aber genügend Zeit ist, lohnt er sich. Manchmal verbergen sich in Bedenken wichtige Informationen und Menschen, die ihr Bedenken äussern können, fühlen sich ernst genommen.

Der Prozess selber ist einfach und mit etwas Übung geht er leicht von der Hand. Apropos Hand: Als besonders hilfreich erleben wir die Handzeichen.

  • Daumen hoch für «ich habe keinen Einwand» 
  • eine ausgestreckte Hand (Handfläche nach oben) für «ich habe einen Einwand» 
  • eine «Wackelhand» mit Handfläche nach oben für «ich habe ein Bedenken»

Sorgfalt, Präsenz und Übung braucht es insbesondere bei der Integration von Einwänden. Wir empfehlen sehr, das mit jemandem zu üben, der bereits Erfahrung hat. Oder bei und mit uns im Training «weise Entscheidungen». 

Vorlagen zum Download