Der Kreis

Das Kreisgespräch (Circle) ist wohl eine der Urformen der Menschheit, um respektvoll miteinander zu reden. In diesem Artikel erfährst du mehr über den Kreis als Methode.

Das Kreisgespräch (Circle) ist wohl eine der Urformen der Menschheit, um respektvoll miteinander zu reden. Der Kreis war die Basis vieler Kulturen, beispielsweise als Kreis der Weisen rund um ein Feuer oder zur Weitergabe von überliefertem Wissen durch Geschichten.

So ist der Kreis – wie oben erwähnt – auch die Grundform in einigen Methoden des Art of Hosting, wie beispielsweise im World Café oder im Open Space und selbstverständlich auch die Grundform in Kreisorganisationen, die sich z.B. nach Soziokratie 3.0 organisieren.

Ein Kreis zeichnet sich aus durch:

  • Augenhöhe
  • eine gemeinsame Mitte
  • alle sehen alle

Das Kreisgespräch unterscheidet sich vom informellen Small-Talk durch die Haltung der Teilnehmenden. Diese ist durch Offenheit, achtsames Reden und tiefes Zuhören gekennzeichnet. Um einen intensiven Dialog und Austausch zu initiieren ist es notwendig, im Vorfeld ein Ziel, eine Intention für das Kreisgespräch zu formulieren. Darauf aufbauend lassen sich die Rahmenbedingungen wie Ort, Zeitdauer, Personen, Fragestellung und notwendige Ressourcen festlegen. Jedes Kreisgespräch hat eine Leitung und legt grossen Wert auf die Selbstverantwortung der Teilnehmenden.

Das Kreisgespräch wird oft eingesetzt in Kombination mit anderen Methoden, z.B.:

  • zu Beginn eines Treffens, um das Check-in kraftvoll im Kreis zu gestalten
  • für die Themensammlung bei Pro-Action-Café und Open-Space
  • bei der Sammlung der Ergebnisse (Convergence), nach Pro-Action-Café oder Open Space
  • zur Besprechung wichtiger Schritte, welche die ganze Gruppe/Gemeinschaft betreffen, oder zum Abholen von Resonanz zu einem Thema
  • als Check-out, um Vertrauen herzustellen und das Gemeinschaftsgefühl zu stärken.

Wesentliche Elemente des Kreises

Absicht

Die Absicht formt den Kreis und bestimmt darüber, wer kommen wird, für wie lange sich der Kreis trifft und welche Ergebnisse erwartet werden. Wer den Kreis einberuft, formuliert als Vorbereitung für das erste Treffen die Intention des Kreises und die Einladung.

Die Mitte gestalten

Die Mitte eines Kreises ist wie die Mitte eines Rades: Jegliche Energie läuft durch diesen Punkt und die Mitte hält den Rand zusammen. Die Mitte ist gleichbedeutend mit dem Feuer, für das die Gruppe zusammenkommt: Das Anliegen, das brennt; die Frage, die alle betrifft.

Deshalb gestalten wir die Mitte normalerweise mit Objekten, welche die Intention der Gruppe zum Ausdruck bringen. Alles, was diese Intention ausdrückt oder zur Ästhetik beiträgt, passt: Blumen, eine Schale oder ein Korb, eine Kerze, ein Kompass, …

Eröffnung – Opener und Check-in

In der Anfangsphase führt der Host die Teilnehmenden ein und sorgt dafür, dass ihre Aufmerksamkeit gebündelt wird (siehe Kapitel „Opener“). Dieser Start kann aus einem Augenblick Stille bestehen, dem Vorlesen eines Gedichts, dem Hören eines Liedes etc.

Eine Anfangsrunde hilft den Teilnehmenden, sich auf das Kreisgespräch einzustimmen und erinnert alle noch einmal an ihre gemeinsame Intention. Ein „Check-in“ sorgt dafür, dass alle wirklich präsent sind (siehe Beitrag “Check-in und Check-out”).

Abschluss – Check-out

Am Ende eines Kreis-Treffens ist es wichtig, dass alle die Möglichkeit erhalten mitzuteilen, was sie gelernt haben oder von dem Treffen mit nach Hause nehmen. Diese letzte Runde beendet das Treffen formell (siehe Beitrag “Check-in und Check-out”). Der Kreis erfordert intensive Aufmerksamkeit füreinander. Aus dieser besonderen Energie entlassen wir einander nun wieder.

Kreis-Vereinbarungen treffen

Vereinbarungen dienen dazu, die psychologische Sicherheit der Teilnehmenden zu gewährleisten, sodass sie sich frei und ehrlich äussern können und unterschiedliche Ansichten respektiert werden.

Häufig werden folgende Vereinbarungen getroffen:

  • Was die Einzelnen im Kreis mitteilen, wird vertraulich behandelt und nicht nach aussen getragen.
  • Wir hören einander mit Empathie und Interesse zu.
  • Wir bitten um das, was wir brauchen, und geben das, was wir geben können.

3 Prinzipien

Ein Kreis ist eine Gruppe, in der die Verantwortung für die Gruppe bei allen Teilnehmenden liegt:

  • Alle sind Gruppenleiter:innen.
  • Alle gestalten mit, was im Kreis geschieht und tragen gemeinsam die Verantwortung für die Qualität des Kreisgesprächs.
  • Letztendlich verlassen wir uns auf Inspiration (oder „Geist“), nicht auf unsere persönlichen Vorhaben.

Drei Praktiken

  • Uns unserer Absicht beim Sprechen bewusst sein, indem wir darauf achten, was im Moment gerade für das Gespräch relevant ist.
  • Aufmerksames Zuhören: Respektvoll gegenüber dem Lernprozess aller Gruppenmitglieder.
  • Zum Wohlergehen des Kreises beitragen: Wir bleiben uns der Wirkung unserer Beiträge bewusst.

Formen der Interaktion im Kreis

Es gibt in einem Kreis drei verschiedene Arten, miteinander ins Gespräch zu kommen:

Ein Redegegenstand wird oft in der Anfangsrunde und in der Endrunde benutzt; ebenso immer dann, wenn es erwünscht ist, die Geschwindigkeit des Austausches zu verlangsamen, von jedem bzw. jeder etwas zu hören sowie zu sprechen, ohne unterbrochen zu werden.

Ein Gesprächsaustausch ohne Redegegenstand findet oft dann statt, wenn es um Reaktion, Interaktion und das Einbringen von neuen Ideen, Gedanken und Meinungen geht, oder wenn die Gruppe bereits geübt und das aufmerksame Zuhören sichergestellt ist.

Stille oder Reflexion gibt allen Zeit, um über das nachzudenken, was gerade geschieht oder ansteht im Verlaufe des Kreistreffens. Eine Zeit der Stille kann von jeder bzw. jedem gewünscht werden, sodass alle reflektieren können, welche Wirkung sie auf die Gruppe haben – oder um der Gruppe zu helfen, wieder zurückzufinden zu ihrer ursprünglichen Intention.

Der Host 

Als Host bin ich im Kreis dafür verantwortlich, dass sich die Menschen sicher fühlen und frei äussern können. Dazu muss ich jederzeit im Blick haben, wer bereits gesprochen hat und wer noch nicht. Ich muss mir bewusst sein, dass es nicht allen gleich leicht fällt, sich zu äussern. Viele Menschen sind nervös, wenn sie in einer Runde sprechen sollen. Einige vergessen, den anderen zuzuhören, weil sie so beschäftigt sind damit, sich zu überlegen, was sie sagen wollen.

Daher ermutige ich Stimmen, die noch nicht gehört wurden, ihren Beitrag zu leisten, indem ich nachfrage. Jedoch, ohne Druck zu machen. Und ich erinnere daran, gut zuzuhören und den eigenen Redebeitrag nicht zu planen, sondern aus dem Moment heraus zu sprechen.

Der Hüter / die Hüterin

Die Rolle des Guardian ist eine Hilfsrolle. Seine bzw. ihre Aufgabe besteht darin, darauf zu achten, dass die Gruppe ihren ursprünglichen gemeinsamen Intentionen treu bleibt. Ein Mitglied des Kreises meldet sich freiwillig, um auf die Gruppenenergie zu achten und den Verlauf des Kreistreffens achtsam wahrzunehmen. Finden mehrere Treffen statt, ist es hilfreich, wenn die Teilnehmenden sich mit dieser Rolle abwechseln.

Normalerweise benutzt der Guardian etwas, um ein sanftes akustisches Signal zu setzen – ein Glöckchen zum Beispiel. Wenn dies ertönt, bedeutet das für alle in der Gruppe, innezuhalten, durchzuatmen und einen Augenblick in Stille verbringen. Dann lässt die bzw. der Guardian wieder das akustische Signal erklingen und sagt, warum er bzw. sie um die Pause gebeten hat. Alle Teilnehmenden können jederzeit um eine solche Pause bitten.

→ Wir verwenden diese Rolle mit grosser Zurückhaltung und Vorsicht. Denn sie birgt die Gefahr einer Machtposition in sich, welche mit der Grundidee des Kreises schwer verträglich ist.

Weiterführendes:

  • artofhosting.org
  • Christine Baldwin und Ann Linnea: Circle: Die Kraft des Kreises, erschienen im Beltz-Verlag