Harrison Owen, Organisationsberater in Washington DC, hat Open Space sozusagen als Zufallsprodukt einer lang geplanten, durchstrukturierten internationalen Konferenz entwickelt: Da die Kaffeepausen aus naheliegenden Gründen nicht nur am beliebtesten waren, sondern sich auch als der effektivste Teil der Konferenz herausgestellt hatten, entwarf er ein Konzept nach Art offener Kaffeepausen: Die Teilneh- menden sollten selbst Richtung, Verlauf und Inhalte der Konferenz bestimmen.
Im Open Space arbeiten hunderte von Teilnehmenden selbstverant- wortlich simultan an Dutzenden von „heissen“ Themen. Die Teilnehmenden erleben dies oft als eine Kombination aus: Motivation, Gemeinschaftsgefühl, Selbstorganisation, Erfolgserlebnis und Freude.
Open Space bietet ein Umfeld für intensives Lernen. Durch oft völlig neue Vernetzungsstrukturen werden neue Konzepte und Ideen entwickelt, die in produktive Aktionen umgesetzt werden. Auf Kontrollfunktionen durch die Leitung wird möglichst verzichtet. Sie wurden als Haupthemmnis für Innovationsprozesse identifiziert. Mit dem Verzicht auf Kontrolle, auf ein fertiges Design und eine vorstrukturierte Agenda hat Owen einen Weg gefunden, den Raum zu öffnen für kreative Prozesse. Vorgegeben sind nur der Ort, ein einfacher Rahmen und eine zeitliche Struktur, was einen reibungslosen Ablauf des Geschehens ermöglicht.
Hauptakteur:innen sind die Teilnehmenden selbst. Sie sind individuell und als Gruppe für das Ergebnis und den Inhalt ebenso verantwortlich wie für die Lernprozesse, die Kommunikation und die Kultur der Konferenz. Der Open-Space-Ansatz ist also mehr als eine Arbeitsform, mehr als ein methodischer Ansatz: Es ist ein lösungsorientiertes, höchst potentes Mittel zur Veränderung von Organisationen, insbesondere ihrer Kultur, indem es an der Art und Weise, wie Menschen miteinander kommunizieren, lernen und arbeiten, ansetzt. Open Space initiiert vorübergehend eine „Lernende Organisation“.
Die Methode ist inzwischen in den meisten Ländern der Erde mit tausenden von Menschen zum Einsatz gekommen.
Anwendungsmöglichkeiten
Die Herausforderung, bei der Open Space eine geeignete Methode ist: Viele Menschen, ganze Organisationen, Gemeinden, Einrichtungen müssen sich (in kurzer Zeit) völlig umorientieren. Open Space eignet sich, wenn eine Gruppe eine Learning Agenda erstellen will oder wenn Austausch auf vielen Ebenen stattfinden soll, der aber längere Phasen erfordert. Ein Open Space wird sinnvollerweise dann eingesetzt, wenn in einer Gruppe/Community genug Vertrauen vorhanden ist, wenn die geteilte Absicht klar ist, es eine hohe Eigeninitiative unter den Teilnehmenden gibt und andere zur gemeinsamen Arbeit gewonnen werden sollen.
Der Rahmen
Die Anzahl der Teilnehmenden ist nicht vorgegeben. Open Space eignet sich für Gruppen von 10 bis über 1’000 Menschen. Die wichtigste Bedingung ist die freiwillige Teilnahme. Es werden gerade diejenigen aus freier Entscheidung teilnehmen, die bereit sind, sich auf einen ergebnisoffenen Prozess einzulassen. Wichtig ist, dass den Teilnehmenden die Thematik am Herzen liegt. Begeisterung und Verantwortung für das Thema sind das Feuer von Open Space.
Ablauf
Planungsphase
Abgesehen von der Logistik ist die Definition des Rahmenthemas ausschlaggebend. Es muss sich um ein relevantes Thema der jeweiligen Institution oder der Zielgruppe handeln. Ein Herzensthema. Daher ist die erste und bedeutende Aufgabe der Prozessbegleitenden, gemeinsam mit den Auftraggebenden, den Veranstaltenden und den Betroffenen das Rahmenthema oder die Rahmenfrage zu definieren und zu formulieren. Eine nicht zu unterschätzende Aufgabe, die oft eng verbunden ist mit den Fragen: Wohin wollen wir eigentlich? Was sollen unsere Ziele sein und wie überprü- fen wir ihre Erreichung?
Framing
Open Space beginnt im Plenum mit der gesamten Gruppe im Kreis, wodurch die Bildung von offener
und direkter Kommunikation, Beziehung und Gemeinschaftsgefühl eingeleitet wird. Die wenigen Spielregeln werden kurz vorgestellt und sollten für jede:n sichtbar an der Wand zu lesen sein (Hummel, Schmetterling, Gesetz der zwei Füsse, vgl. unten).
Marktplatz
Alle Teilnehmenden werden eingeladen, eine Thematik, für die sie ein besonderes Interesse empfinden, aufzuschreiben, im Kreisinneren anzukündigen und es an der Informationswand mit Namen, Raum- und Zeitangabe aufzuhängen. Nachdem alle Themen gesammelt worden sind, ist der Marktplatz eröffnet. Nun entscheidet jeder und jede Teilnehmende, zu welchen der angebotenen Themen er bzw. sie einen Beitrag leisten möchte. Auf diese Weise ist jede Person potenziell Initiator:in, Referent:in oder Mitglied einer Dialoggruppe, in vielen Fällen sogar Lehrer:in oder Lerndend:er in freiem Wechsel. Es müssen genug Räume, – formelle und informelle, wie Garten, Terrasse oder Ähnliches – zur freien Verfügung stehen.
Arbeits-Sessions
In den ca. 40- bis 90-minütigen Arbeitsgruppen können unterschiedliche Prozesse angewendet werden; meistens wird ein verbaler Dialog gewählt. Aber auch kreative Techniken wie z.B. eine sportliche Aktivität oder Musik können zur Anwendung kommen. Die Kleingruppen werden nicht von „aussen“ moderiert, den Prozess verantwortet jede Gruppe selbst. Wichtig ist, dass ein kurzes Protokoll geführt wird. Vorbereitete Flipcharts oder bereitgestellte Templates auf Laptops sind hilfreich (z.B. ein Template mit folgenden Angaben: Initiator:in, Teil- nehmende, Thema, drei Hauptergebnisse, nächster Schritt).
Ernte
Am Ende der Arbeitssessions (1-2 Slots, je nach verfügbarer Zeit) stellen die Arbeitsgruppen ihre Ergebnisse kurz im Plenum vor. Es besteht die Möglichkeit, Einsichten und Commitment für die Weiterarbeit zu teilen.
Die Spielregeln
Das Gesetz der zwei Füsse
Dieses beinhaltet Freiheit und Selbstverantwortung der Teilnehmenden. Jede:r Teilnehmende (mit Ausnahme der Themen-Initiator:innen) hat das Recht, eine Arbeitsgruppe oder eine Interaktion zu verlassen, wenn er oder sie das Gefühl hat, in dieser Situation nichts zu lernen oder nichts beitragen zu können. Damit bestimmt jede:r über Inhalt und Form mit und ist verantwortlich für die Effizienz für sich und die anderen.
Hummeln und Schmetterlinge
Hummeln sind diejenigen Personen, die sich die Freiheit nehmen, von einer Gruppe zur anderen zu fliegen, sich zu vertiefen, weiterzufliegen und so von einer Gruppe zur anderen befruchtend zu wirken.
Schmetterlinge nehmen es leichter, sie fliegen ebenfalls von einem Thema zum anderen, vertiefen sich aber in keins. Man findet sie auch auf der Terrasse, im Garten oder an der Kaffeebar.
Die 4 Prinzipien des Open Space
1. Wer immer auch kommt, es sind genau die Richtigen!
2. Was immer auch geschieht, es ist das Einzige, was geschehen kann.
3. Wann immer es beginnt, es ist die richtige Zeit.
4. Wenn es vorbei ist, ist es vorbei!